Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz
Die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz ist vor allem in der BRD und Österreich fast untrennbar mit Ludwig Baumann verbunden. Ohne sein jahrzehntelanges persönliches Engagement wäre die pauschale Aufhebung der NS-Urteile gegen Wehrmachtsdeserteure, Kriegsdienstverweigerer oder so genannten Kriegsverräter bis heute kaum möglich gewesen.
Gemeinsam mit knapp 40 anderen Opfern der NS-Militärgerichte gründete Ludwig Baumann 1990 die „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“ und wirkt seitdem fast lückenlos ehrenamtlich als deren Vorsitzender. Schnell entwickelte sich der Verein zu einer renommierten Interessenvertretung der Wehrmachtsdeserteure und anderer NS-Opfer. Ludwig Baumann gelang es, namhafte Wissenschaftler wie Prof. Messerschmidt und Prof. Wette für die Mitarbeit im wissenschaftlichen Beirat der Bundesvereinigung zu gewinnen.
Immer wieder leisteten Bundestagsabgeordnete (besonders der CDU) und ranghohe Mitglieder der Bundeswehr Widerstand gegen die Rehabilitierung und Entschädigung der Wehrmachtsdeserteure. Dank des beharrlichen Engagements besonders Ludwig Baumanns blieben aber dennoch die Erfolge nicht aus. 1995 bezeichnete der Bundestag den 2. Weltkrieg erstmals als „ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen“. 1998 rehabilitierte der Bundestag die Kriegsdienstverweigerer und Wehrkraftzersetzer der Wehrmacht, verweigerte aber nach heftigen Diskussionen in den Ausschüssen den restlichen Opfern der NS-Militärjustiz die pauschale Aufhebung der gegen sie verhängten Urteile. Nach dem Regierungswechsel von Schwarz-Gelb zu Rot-Grün beteiligte sich die BRD am Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte und vor der Wahl versprochene Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure wurde auf Eis gelegt. Erst als auf Initiative Ludwig Baumanns die PDS-Fraktion den vor der Wahl im Bundestag gescheiterten Gesetzentwurf der SPD zur Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure wortgleich erneut einbrachte, wurden die Urteile der Nazijustiz gegen Wehrmachtsdeserteure pauschal aufgehoben. Erst 2009 erfolgte die Rehabilitierung der wegen Kriegsverrates Verurteilten, gegen die sich Bundeskanzler Gerhard Schröder 2002 gesperrt hatte. Schröders Bedenken wurden insbesondere durch die Forschungen Prof. Wolfram Wettes zu den Handlungen der Kriegsverräter widerlegt.
Die Auseinandersetzung um die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure strahlte auch auf Österreich aus. Dort hob der Nationalrat im Oktober 2009 die Urteile der NS-Militärjustiz pauschal auf.
Während dieser gesamten 20 Jahre währenden Diskussion entwickelte Ludwig Baumann sich durch seinen Humor, seine gewinnende warmherzige Art und seine außergewöhnliche Begabung für die Öffentlichkeitsarbeit zum Gesicht und zur Stimme der Wehrmachtsdeserteure in der Bundesrepublik. Ständig war er mit seiner ganz persönlichen Lebensgeschichte und klaren politischen Forderungen in Gedenkstätten, auf Demonstrationen oder in den regionalen, bundesweiten und internationalen Medien vertreten. Ihm ging es in erster Linie um die gesellschaftliche Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure. Wie Umfragen belegen, hinkte der Bundestag bei der Rehabilitierung dem Bewusstseinswandel in der Bevölkerung ein Jahrzehnt hinterher.